Weihnachten in Cartagena, die erste richtige Stadt seit Spanien! Und was für eine Stadt. Südamerikanisches Flair mit europäischem Einfluss, Geschichte und Geschichten zum Staunen und mittendrin die Idemo. Danach das San Blas Archipell mit winzigen Inseln, Palmen und Indianern.

 
die hollaendischen antillen bescheren uns etwas europaeisches flair, gemischt mit einem guten schuss karibik. alte hollaendische gebauede stehen neben den typischen bunten karibik-baracken. karibische fruechte und gemuesesorten in hollaendischen supermaerkten neben ausgezeichnetem gouda in allen reifegraden. jedes kind spricht vier sprachen, spanisch, hollaendisch, englisch und die muttersprache papiamento. eine multikulturelle gesellschaft. der zollbeamte auf bonaire fragt mich, ob unser schiffsname "let's go" bedeutet. als ich verwundert nicke, erzaehlt er mir, dass seine grossmutter in kroatien geboren sei. das komische ist nur, der mann ist "murl"-schwarz. die gene der grossmutter muessen verschwunden sein! ich glaube ihm aber, woher sollte er denn sonst kroatisch sprechen?

bonaire hat eine ueberwaeltigende unterwasserwelt. all die fabenpraechtigen fische, die man sonst nur an den riffen findet, kann man hier direkt vor der stadt beobachten. schnorcheln und  tauchen vor der haustuere also.  die fische scheinen keine scheu zu kennen. die gesamte kueste und das riff stehen unter strengem naturschutz. das heisst, ankerverbot und absolutes harpunenverbot. wir muessen daher eine boje nehmen und bezahlen, machen's aber gerne, um diese wunderbare unterwasserwelt zu schuetzen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
auf curacao nutzen wir die gelegenheit idemo mit koestlichsten europaeischen konserven, wie spinat, kraut und essiggurkerln vollzustopfen. im hinterkopf haben wir schon die langen pazifikpassagen, das fuehrt dazu, dass die bilge wieder einmal bis auf den letzten platz ausgebucht ist. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
sobald wir das schiff wieder auf vordermann gebracht haben, entfliehen wir dem grossstadtgetuemmel und verholen uns in eine einsame bucht mit glasklarem wasser, wo wir auf das passende wetter fuer die ueberfahrt nach cartagena in kolumbien warten wollen.
 
die passage von den abc – inseln nach cartagena fuehrt durch ein gefuerchtetes revier. die sich um den jahreswechsel verstaerkenden passatwinde, bauen in dem seichten gewaesser monstroese seen auf, die einem kleinen segelboot leicht zum verhaengnis werden koennen. ausserdem ist die kolumbianische kueste ein tummelplatz der drogenmafia. es gibt einige berichte, dass yachten von drogenschmuglern geentert wurden. in letzter zeit ist in dieser richtung gott sei dank nichts mehr passiert.
 
diesen schwierigkeiten kann man sich entziehen, indem man mindestens 100 seemeilen abstand von der kueste haelt (jimmy cornell-wegpunkt). dort ist das wasser tiefer, die wellen damit langgezogen und nicht so gefaehrlich und man laeuft nicht gefahr mit einem drogenschiff zusammenzustossen.
 
wir halten uns an diese regeln und machen eine schnelle ueberfahrt mit viel wind und hohen wellen. in der zweiten nacht vergessen wir ein seitenluk zu schliessen und eine welle befoerdert einige kuebel wasser in die achterkabine. schicksal ist, dass ich gerade unter diesem luk schlafe, und im ersten moment keine ahnung habe, wieso ich patschnass bin. als ich prustend ins cockpit stuerze, das schiff vor dem untergehen retten will, sitzt ingrid seelenruhig da, hoert mit dem walkman musik und betrachtet den sternenhimmel. sie hat nichts bemerkt und wundert sich, wieso ich so nass bin. aber alles ist immer im gruenen bereich und das wetter macht - wie vorhergeagt - keine kapriolen, sodass wir nach vier tagen wohlbehalten spät nachts in cartagena einlaufen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
einige wochen spaeter sollen wir erfahren, dass gute freunde von uns nicht so viel glueck hatten.  kim und michael mit den kindern carolyn (10 jahre) und marc (7 jahre) sind mit ihrem 40 fuss boot von aruba nach panama unterwegs, als sie eine riesige, brechende see packt und das schiff zum durchkentern bringt. die yacht stellt sich zwar sofort wieder auf, aber grossmast und besan sind gebrochen und schlagen in dem hohen seegang gegen die bordwand. mit muehe koennen sie wanten und stage kappen und so das schiff retten. unter motor setzen sie die fahrt fort und kommen wohlbehalten nach colon.
 
vierzehn tage später treffen wir sie im panama yacht club wieder und sie erzaehlen uns ihre haarstraeubende geschichte. alles was an deck des schiffes war ist weg. solarzellen, aussenborder, rettungsinsel, windgenerator, feste sprayhood, bugkorb und, und, und. ein grossteil des wasserschadens im schiff ist bereits behoben, nur einige buecherregale sind noch verstopft. die nassen buecher haben sich beim trocknen so aufgeblasen, dass sie jetzt nicht mehr aus dem regal genommen werden koennen. michael zeigt uns das mit einem schiefen laecheln im gesicht. irgendwie stolz ist er auf die spitzengeschwindigkeit, die das gps kurz vor dem kentern ermittelt hat: 27, 8 knoten (die durchschnittliche geschwindigkeit fuer ein schiff dieser groesse ist 5 – 6 knoten). das schiff war nicht versichert. aber die vier sind guter dinge. ein neues rigg wird bereits bestellt und die reise in den pazifik soll in sechs wochen weitergehen.

das sollte nicht die einzige horrorgeschichte aus der zweiten jaenner-woche sein. zwei schiffe melden ruderbruch. ein schiff wird flach auf das wasser gedrueckt und der skipper geht ueber bord, kann sich aber noch an der reling festhalten und von der restlichen mannschaft ins boot gezogen werden. eine weitere yacht geht verloren, die besatzung kann von einem containerschiff geborgen werden. das scheint also eine interessante ecke zu sein und viele, die bereits einmal rundherum gefahren sind, sagen, das war die schlimmste strecke. wir hatten glueck und das wetter hielt.

cartagena, die alte spanische kolonialstadt zieht uns so richtig in ihren bann. alte stadtmauern, geschichtstraechtige haeuser wo man hinschaut, viele mediteran anmutende lokale, und quirliges leben. all das erinnert uns an europa - wir bekommen so richtig heimweh. viele karibische staedte sind schoen aber cartagena ist einfach anders.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
wir stuerzen uns voll in das grossstadtleben, ueberziehen unsere bordkassa und lassen uns in guten restaurants verwoehnen, machen eine kutschenfahrt und schlendern durch die verwinkelte altstadt.
 
leider aber wird kolumbien auch heute noch von den drogenbaronen regiert. eine fahrt mit dem autobus nach bogota ist fast unmoeglich. regelmaessig werden busse ueberfallen, die passagiere ausgeraubt oder als geisel genommen. wer es sich nur irgendwie leisten kann, fliegt oder bleibt in den grossen staedten. doch auch dort sieht man an jeder ecke schwer bewaffnetes sicherheitspersonal.
 
cartagena wurde von den spanischen eroberern im 17. jahrhundert zur uneinnehmbaren festung ausgebaut, an der selbst die englischen freibeuter gescheitert sind. unter anderen hat auch sir francis drake versucht, die schatzkammern der stadt auszurauben, musste jedoch mit einem mickrigen loesegeld vorlieb nehmen. dies traf die freibeuter koenigin elisabeths besonders, da der anfuehrer der spanier nur ein auge, eine hand und einen fuss hatte!

an der panamesischen kueste besuchen wir spaeter orte, die den englaendern mehr glueck bescherten. nombre de dios, wo drake mit einer handvoll maenner die jahresausbeute der spanischen silberminen erbeuten kann (ein teil soll heute noch dort vergraben sein) oder porto bello, das von henry morgan zerstoert wurde.

weihnachten verbringen wir noch im alten spanischen hafen von cartagena, aber fuer silvester haben wir schon eine verabredung im san blas archipel von panama. nach einer dreitaegigen ueberfahrt tauchen wir in diese faszinierende inselwelt ein. schliesst man die augen, und stellt sich eine kleine suedseeinsel mit palmen, weissem sand und tuerkisklarem wasser vor, dann hat man genau das bild der san blas inseln erwischt. es ist schlicht das paradies.

 
hunderte durch riffe geschuetzte ankerplaetze, inseln so klein, dass man sie in zwei minuten zu fuss umrunden kann. kokusnusspalmen wachsen schraeg ueber den strand. kleine wasserloecher wo wir unseren duschsack fuellen koennen. tolle riffe zum schnorcheln. eine stetige brise macht die naechte kuehl. kurze regenschauer bewaessern das weiche gras zwischen den palmen und spuelen unser schiff mit suesswasser. traumhaft. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
der fuer uns schoenste ankerplatz wird von den yachties "swimmingpool" genannt. man ankert auf weissem sand, mit drei metern wasser unter dem kiel und ist total geschuetzt, umgeben vom grossen riff und einigen inseln.
 
eine winzige insel ist treffpunkt der segler. man bringt seine getraenke selbst mit und rund um ein lagerfeuer werden kulinarische koestlichkeiten aus aller herren laender bordkuechen ausgebreitet. jeder bedient sich und kommt so zu einem mehrgaengigen menue. "pot luck island" nennen wir diese insel. an unserem ersten abend bringen wir eine grosse schuessel bohnensalat mit. pech, dass man sich darauf geeinigt hat, nur "fingerfood" zu bringen und ausser uns niemand im besitz einer gabel ist. zuerst gibt es verdutzte gesichter, aber eine gabel reicht auch fuer 15 hungrige maeuler und am schluss bleibt nichts ueber.
 
der san blas archipel wird von den kuna-indianern bewohnt, deren lebensweise sich in den letzten hundert jahren nur wenig geaendert hat. sie leben in huetten aus bambusrohr und palmenblaettern. elektrischen strom gibt es nur auf ganz wenigen inseln aus kleinen dieselgeneratoren.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
die kanus werden aus grossen baeumen geschnitzt, als antrieb dienen ueberdimensionierte lateinersegel oder paddel, nur selten sieht man einen aussenborder. gekocht wird ueber einer offenen feuerstelle mit primitivsten mitteln. die frauen tragen noch heute die traditionellen wickelroecke und blusen, die von den farbenpraechtigen molas geschmueckt werden. molas sind bunte stoffornamente, die die frauen in handarbeit herstellen. wir tauschen und kaufen so viele davon, dass wir jetzt einen grosshandel damit aufmachen koennten. ingrid kann einfach nicht genug bekommen. irgendwie erinnern einen die molas an bilder von keith harring.
 
die kunas leben in ihrem gebiet voellig autonom nach ihren uralten gesetzen und brauechen. jedes dorf hat ein gemeinschaftshaus in dem der dorfrat tagt und jedes dorf schickt einen abgesandten ins kunaparlament, wo gemeinsame entscheidungen getroffen werden, die dann wieder im parlament von panama-city vorgebracht werden. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
1925 waren die indianer mit der politik in panama nicht zufrieden und es gab den letzten grossen kunaaufstand. nur mit giftpfeilen und keulen bewaffnet, leisteten die kunas erbitterten widerstand und brachten das mit modernen waffen ausgeruestete panamesische militaer, in arge bedraengnis. so konnten sie ihre souveraenitaet bestaetigen und daran hat sich bis heute nichts geaendert. dadurch ist dieses gebiet urspruenglich geblieben. es gibt keine strassen zu den kuestenregionen des kunagebietes. nur mit dem schiff und winzigen flugzeugen, die auf kurzen pisten landen koennen, kommt man in die san blas. hotels oder andere tourismusbetriebe koennen sich nicht entwickeln, da der kunarat keine investoren ins land laesst. das kunayala soll in kunahand bleiben.
 
die kunas sind aber auch gewiefte geschaeftslaute. handeln mit ihnen ist zwecklos. preisnachlaesse gibt es nur fuer minderwertige molas (die sie ingrid als fachfrau natuerlich nicht andrehen koennen). kleine geschenke sind fuer sie selbstverstaendlich, gibt man sie nicht freiwillig, wird auch schon einmal gemurrt. aber immer bleibt alles sehr freundlich und fair.

pot luck island mit schwingpalme, langem sandstrand, suesswasserpool und lagerfeuerstelle ist ein kinderpradies. fuenf yachten mit etlichen kindern verbringen hier wunderpaare tage. hoehepunkt ist eine zaubervorstellung von mister MAGIC HERBINO! An einem der geselligen abenden rund um das lagerfeuer erzaehlt uns herb von seinem magischen hobby und ob er nicht eine vorfuehrung fuer die kleinsten geben kann. die kinder sind natuerlich begeistert und am naechsten tag verwandelt sich die IDEMO in eine varietetheater mit dem zaubermeister MAGIC HERBINO.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
herb und seine frau christine kreuzen seit vielen jahren im san blas archipel. neben der zauberei begeistern sie ihr publikum auch noch mit countrysongs begleitet von gitarrenklaengen. die musischen vorlieben von herb verwundern um so mehr, wenn man erfaehrt dass er im „zivilen“ leben hubschrauberpilot bei der amerikanischen armee war und jahrzehnte lang einsaetze in den verschiedensten kriesengebieten der erde geflogen ist.
 
wir fuehlen uns zwischen diesen inseln pudelwohl. das leben auf der idemo laeuft wieder voellig autark ab. wir machen joghurt, kefir und kaese aus milchpulver, backen brot, zaubern aus bohnen und erbsen koestliche aufstriche. wir  fangen fische, krabben und langusten. das wasser troepfelt aus dem wassermacher und die energie dafuer bekommen wir gratis aus solarzellen und windgenerator. auch als unser biervorrat zur neige geht, finden wir ersatz: t-punch! einfach kaltes wasser mit rum, einem spritzer limettensaft und braunem zucker. schmeckt unter palmen wirklich gut!

direkt unter dem schiff schwimmen riessige rochen, barakudas und manchmal auch haie. letztere machen das schnorcheln spannend. als vorsichtsmasssnahme gehen wir nur untertags ins wasser und bei laengeren schwimmausfluegen ist immer die taucherbrille dabei.

sechs wochen verbringen wir in dieser herrlichen inselwelt, doch dann muessen wir weiter, der fahrplan fuer den pazifik muss eingehalten werden. als wir beim ersten landfall am panamesischen festland ein auto sehen sind wir ueberrascht, dass man sich auch so fortbewegen kann.
wir ankern vor einer kleinen insel auf der wilde affen leben. angeblich sollen sie recht zutraulich sein und man kann sie sogar aus der hand fuettern. freunde warnen uns aber davor, dass die "viecher" unheimlich bissig sein sollen. bei unserem ersten versuch warten wir vergeblich. nur wilder und fast undurchdringlicher dschungel. doch am naechsten tag haben wir mehr glueck. wir sehen drei braunschwarze affen. die tiere sind jedoch alles andere als scheu. als unsere bananen und das brot zu ende sind, stuerzen sie  sich auf das dinghi und untersuchen den inhalt auf essbares. als ich in wilder affenmanier und mit lautem geschrei auf sie zuspringe, sind sie allerdings ueberrascht und verdruecken sich aufs erste. beim naechsten versuch erobert einer annas t-shirt und laesst sich von mir nicht mehr beeindrucken. da hilft auch kein king-kong-brustklopfen, der affe bleibt stehen und zeigt mir seine zaehne. zum glueck kann ich einen nahen holzpruegel greifen und den langhaarigen freund so vor einem angriff auf mich abschrecken. das t-shirt behaelt er aber vorerst und laesst es erst nach einer genauen untersuchung fallen. als wir die insel mit dem dinghi etwas geschockt verlassen, sitzen die drei in der hoechsten palme am strand und bruellen uns nach, so als ob sie uns sagen wollen: "die chefs sind wir!"
 
porto bello ist wirklich ein wunderschoener hafen. tiefgruene dschungellandschaft umgiebt die alten festungsmauern. hier verbringen wir den karneval, der von den einheimischen ausgelassen gefeiert wird. beim abendlichen wetttanzen um den titel "sambakoenigin" duerfen auch die gaeste mitmachen. ich kann mich vor diesem vergnuegen druecken, aber anna ist restlos begeistert und bekommt auch viel applaus.
 
am naechsten tag in der frueh sind wir weniger entzueckt. jemand hat unseren aussenborder geklaut. die, die das gute stueck kennen, werden jetzt wohl lachen und sich wundern. wir haben uns auch gewundert, wer stiehlt einen uralten, zwei ps-aussenborder, der fuer das hier gaengige fischerboot viel zu schwach ist und eigentlich nur kleine schlauchboote antreiben kann? fuer uns war es aber ein schmerzlicher verlust. die anzeige bei der polizei verlaueft suedamerikanisch, eigentlich haetten wir uns die zeit sparen koennen.
 
damit ist das schoene leben vorbei und wir muessen uns auf den weg nach colon machen, um einen neuen motor zu besorgen. colon, die stadt vor der alle warnen. schmutz und verbrechen sollen sich dort die hand geben. nur anna freut sich, denn um es vorwegzunehmen, jetzt sind wir stolze besitzer eines gebrauchten yamaha 4-ps aussenborders, der unser dinghi bei guten bedingungen ins gleiten bringt! anna sitzt dann im bug und geniesst den fahrtwind. ich habe schon immer gewusst, dass man frauen mit vielen ps beeindrucken kann...
 
der atlantik verabschiedet sich von uns dann noch mit einem wunderschoenen segeltag und einem grossen bigeye-tuna. irgendwie sind wir damit wieder versoehnt und sehen dem abenteuer panamakanal mit viel optimismus entgegen.
 
 
 
wir lassen euch bald wissen, wie es uns da ergangen ist.

 

bis dahin, alles liebe von uns dreien,

SY IDEMO,

dzt. Colon, Republic of Panama

Maerz 2002
 
 
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