Wir haben die Hose voll. Was wird uns auf der anderen Seite erwarten?  Wie wird die Kanaldurchfahrt? Haben wir alles und ist Idemo wirklich gut vorbereitet? Werden wir es über großen Pazifik schaffen?  Hektische aber auch sehr spannende Tage in Panama-City.

 
colon zeigt sich uns von seiner schmutzigsten seite. daran ist nicht nur die stadt selbst schuld. alles scheint sich gegen uns verschworen zu haben. vieles geht schief und alles an bord scheint kaputt zu gehen.

die meisten yachten ankern in den flats und die etwas betuchteren versuchen einen der raren plaetze im panama yacht club zu ergattern. alle sind hypernervoes. das "schreckgespenst" kanaldurchfahrt steht vor der tuer und zugleich versucht man die meisten dinge fuer den pazifik schon hier zu erledigen.

jeder dinghiritt zum steg wird zur feuchten angelegenheit. starker passat weht direkt in das grosse hafenbecken und die riesigen schiffe auf dem weg zu den ersten schleusen tun ihr uebriges. wir fahren nur mehr in der badehose, duschen im yachtclub und ziehen unser in einem wasserdichten sack mitgebrachtes zeug erst danach an.

waehrend des kanalbaus entwickelte sich colon zu einer grossen stadt. auf alten fotos sieht es hier wirklich nett aus. nach dem ende der kanalarbeiten aber ging es bergab. hohe arbeitslosigkeit, hohe verbrechensrate, korruption und verslumung haben die stadt zugrunde gerichtet. der abzug der amerikaner und der damit verbundene wegfall von arbeitsplaetzen gaben colon den rest.

in colon muss vieles mit dem taxi erledigt werden. fussgaenger sind freiwild fuer ganoven und wir sehen einige zerissene hosentaschen in denen sich kurz zuvor noch eine geldtasche mit der visakarte befunden hat.

taxifahren ist extrem billig. eine fahrt in die stadt kostet im schnitt einen us-dollar plus 75 cent pro person (panama hat nur auf dem papier eine eigene waehrung, der dollar ist offiziell anerkanntes zahlungsmittel, es werden keine banknoten in der landeswaehrung ausgegeben). vor jeder fahrt muss aber der preis zweimal nachgefragt werden, da man sonst ploetzlich 20 dollar bezahlt. wird der preis vereinbart und man ist einige hundert meter unterwegs, kann es passieren, dass sich der taxifahrer ploetzlich erinnert wo die adresse genau ist und man soll schwupsdiwups ploetzlich 15 us-dollar berappen. es ist ein ewiger kampf. auch in den geschaeften verhaelt es sich so, ueberall muss man ein vielfaches des normalen preises bezahlen.

seit einigen wochen haben wir probleme mit unserer lichtmaschine. wir kaufen eine neue, die instalation sollte einfach sein und ich will das selbst machen. aus unerklaerlichen gruenden will sie sich aber nicht regeln lassen und liefert immer eine zu hohe spannung. wir beschliessen also spezialisten an bord kommen zu lassen. der erste kommt nicht. die zweite firma (angeblich betreuen sie die grossschifffahrt) kommt mit zweistuendiger verspaetung drei mann hoch. nachdem die drei mit schweren schuhen auf unserem deck herumgetrampelt sind und eine stunde in unserem motorraum herumgebastelt haben, stellt einer der spezialisten die gute frage ob wir da denn eine 110 volt lichtmaschine haben (jedes kind weiss, dass es im regelfall nur 12 oder hoechstens 24 volt lichtmaschinen gibt, oder kann das mit einem kleinen voltmeter ueberpruefen). nachdem die drei von bord gehen, funktioniert gar nichts mehr. ich baue die jetzt nicht mehr ladende lichtmaschine aus und bringe sie in eine werkstatt. dort soll die ueberpruefung 5 us-dollar kosten. die ueberpruefung ergibt, dass die ersatzteile 40 und die reparatur 25 us-dollar kosten sollen. eine neue lichtmaschine kostet aber nur 50, daher will ich 5 bezahlen und wieder gehen. nein, so geht das nicht, die ueberpruefung kostet jetzt ploetzlich 25. ich werde weiss im gesicht und beginne zu schreien. hilft nichts. 25 dollar oder die lichtmaschine bleibt hier! also kutschiert das gute stueck wohl heute in einem auto durch colon.

so geht es weiter. selbst waesche waschen wird zur geduldsprobe. eine frau blockiert die maschinen im yachtclub unter dem vorwand, sie wuerde die waesche fuer andere yachten waschen. will man waschen, muss man ihr nochmals den preis fuer eine maschine bezahlen. solche kleinigkeiten koennen einem das leben so richtig vermiesen.

colon ist wirklich der tiefste sumpf, den man sich nur vorstellen kann. vor jedem geschaeft steht ein waechter mit einer abgesaegten pumpgun (noch dazu schauen die dinger auch so gebraucht aus!). polizisten oder wachmannschaften, man kann sie kaum voneinander unterscheiden, schlaendern mit laessig ueber die schulter gelegten vollautmatischen gewaehren durch die strassen. fuer europaeische augen ist das einfach unglaublich. viele geschaefte haben verschlossene tueren, die nur geoefnet werden, wenn der kunde den vorstellungen der verkauefer entspricht. am strassenrand liegt der muell. die gehsteige werden immer wieder von tiefen loechern unterbrochen. staendig will irgendwer irgendetwas verkaufen. und immer sind wir die einzigen weissen und fallen natuerlich unheimlich auf. also, ich kenne niemanden der dort bei dunkelheit war. auf der anderen seite wieder sehen wir in diesem moloch ein ehepaar mit einem kleinen kind am arm, das so gluecklich und zufrieden aussieht, soviel positive energie ausstrahlt, wie wir es nur selten irgendwo gesehen haben. mir kommt das ganze wie ein kleines wunder vor.

der yachtclub ist da irgendwie eine insel. eine insel allerdings, auf der alle auf einen abfahrtstermin warten. fuer die kanaldurchfahrt braucht man vier leinen mit nicht ganz 50 meter und vier linehandler, die diese bedienen sollen. da die meisten yachten nur eine oder zwei entsprechende leinen besitzen, versucht man diese von anderen booten zu borgen. als linehandler werden andere cruiser eingeladen. so hilft man sich gegenseitig und alle versuchen mit moeglichst geringen kosten in den pazifik zu kommen. das problem dabei ist, dass alle zugleich durch wollen, denn jeder will den aufenthalt in colon so kurz wie moeglich halten.

die yachten teilen sich in zwei gruppen auf: solche, die den kanal hinter sich haben und auf der pazifikseite ankern und solche, die im atlantik auf ihre passage warten. die kanaldurchfahrt beginnt zeitig in der frueh, sodass leute, die von der pazifikseite zu hilfe kommen, immer einen zweitagestrip haben, da sie ja schon am vorabend anreisen muessen. gegenseitige hilfeleistung von schiff zu schiff ist daher aufwendiger und die sache sollte idealerweise so funktionieren, dass jeder vorab zumindest so oft als linehandler durch den kanal geht, wie er selbst linhandler benoetigt. die hilfe also der allgemeinheit anbietet und dafuer auch entsprechende hilfe bekommt. natuerlich funktioniert diese idealvorstellung nicht, da sich viele vor der zeitaufwendigen sache druecken wollen. das, und staendige terminverschiebungen sowohl von der kanalbehoerde als auch von yachten, die im letzten moment noch maschinenprobleme haben oder deren linehandler abspringen, machen das ganze zum chaos.

die kanaldurchfahrtb selbst ist beeindruckend. http://www.pancanal.com/eng/general/howitworks/index.html ueber drei direkt hintereinander liegende schleusen geht es zum gatunsee hinauf. zuerst faehrt ein grosser in die schleuse und danach im regelfall drei zu einem paeckchen verschnuerte yachten. die grossen schiffe haben zumeist panamanorm. das heisst sie wurden so gross gebaut, dass sie gerade noch durch den kanal gehen koennen. links und rechts der schleusenmauern bleiben da nur mehr wenige zentimeter. manche von den schiffen sind aber nicht ganz so lang wie die schleussen. dort gibt es dann platz fuer die yachten, direkt hinter dem heck eines schiffes das hochhaus groesse hat. vier locks halten den grossen. vier leinen und linehandler die yachten. dann heisst es "wasser marsch!" und der wasserspiegel hebt sich in beaengstigender schnelligkeit. alles kein problem und passt man gut auf, kann nichts passieren. erst wenn die schleusentore geoeffnet werden wird es wirklich spannend. jetzt gibt das grosse schiff, das zwanzig meter vor den yachten liegt, gas. mannshohe schrauben wuehlen das wasser auf und verwandeln die schleussenkammer in einen wildbach. alles kommt auf den lotsen am grossen schiff an. laesst der zuviel vorwaerts geben, haben die kleinen hinten kein leichtes leben. bricht eine leine oder reisst ein bugbeschlag aus, ist das paeckchen nicht mehr zentriert und schnell kann es weiteren bruch geben und  dann geht das ganze paeckchen auf drift richtung schleusenmauern! verbogene relingsstuetzen, schrammen und ausgerissene bugbeschlaege kommen schon vor. wirklich schwere schaeden gibt es aber selten.
 
ist man einmal oben auf dem see ist die lage entspannt und man kann sich zuruecklegen und die bordverpflegung geniessen. es werden sandwiches, hamburger, gemuesssticks mit diversen dips, obst und jede menge kalte getraenke gereicht. die verpflegung auf der idemo duerfte ganz gut sein, denn alle schauen zufrieden drein und als die kalten getraenke weniger werden, ruft unser pilot ueber funk ein versorgungsboot, das uns einen fuenfundzwanzig-liter sack mit eis uebergibt. einziger vermuthstropfen, beim laengseitsgehen schrammt das lotsenboot entlang unseres schoenen roten rumpfes und wir behalten einen kratzer als andenken. dafuer stellen wir jetzt einen grossen trog ins cockpit und fuellen ihn mit eis und getraenkedosen, damit bekommt die weitere fahrt eine gewisse party - stimmung.
 
einen grossteil der strecke legt man auf dem gatunsee zurueck, dieser stausee ist das herzstueck des panamakanals. ende des neunzehnten jahrhunderts begannen die franzosen unter de lesseps mit dem bau des kanals. aehnlich dem suezkanal sollte ein schleusenfreier weg von einem ozean zum anderen gegraben werden. die franzoesische kanalgesellschaft ging jedoch nach eineinhalb jahrzehnten vergeblicher muehe bankrott, scheiterte an der riesigen aufgabe und den durch das dschungelklima verursachten seuchen und krankheiten. da traten die amerikaner auf den plan und machten kolumbien, auf dessen hoheitsgebiet damals die kanalzone lag, ein angebot. die kolumbianer wollten jedoch bessere bedingungen aushandeln und lehnten den vorschlag der usa vorerst ab. in geheimverhandlungen versprachen darauf die vereinigten staaten der sich mit seperationsgeluesten tragenden provinz panama, volle unterstuetzung bei der trennung von kolumbien. und sie hielten sofort nach der unabhaengigkeitserklaerung panamas ihre schuetzende hand ueber den jungen staat und bekamen wenig spaeter den zuschlag fuer den bau des kanals.
 
die geniale und alles veraendernde idee war der bau eines stausees. wesentlich weniger erdreich musste bewegt werden, dafuer aber die schiffe ueber ein schleussensystem auf den hoeher gelegenen see gehoben werden. trotzdem war auch dieses vorhaben knapp vor dem scheitern und konnte nur mit hohem blutzoll erreicht werden, denn unzaehlige arbeiter starben auch bei diesen arbeiten an tropenkrankheiten in dem feuchten dschungelklima panamas. am 7. januar 1914 geht aber das erste schiff im zuge der arbeiten durch den kanal. ob die amerikaner geplant haben, dass das ein franzoesisches schiff ist, wage ich zu bezweifeln.
 
der see war von beginn an sperrgebiet. sodass sich hier eine wunderbare pflanzen- und tierwelt entwickeln konnte. man segelt mitten durch den dschungel. unzaehlige voegel streifen ueber den see, affen springen zwischen den bauemen. leguane und krokodile spaehen aus dem wasser.  jaque costeau hat hier mehrere monate mit seiner calypso verbracht und die unterwasserwelt erforscht. laut den beschreibungen der piloten ist der fischreichtum so hoch, dass  krokodile niemals menschen anfallen, da ihnen das futter sowieso ins maul schwimmt. deshalb gehoert ein bad im gatunsee zu jeder guten kanaldurchfahrt.
 
auf der anderen seite des gatunsees geht es wieder ueber drei schleusen hinab auf meeresniveau. bei diesen schleusen ist auch die beruehmte webcam installiert. niemand weiss genau wo, und die piloten und kanalarbeiter machen sich einen spass daraus, den "dummen" yachties von der feuerwehrspritze bis zur strassenlaterne alles als webcam zu verkaufen. man sieht dann die stolzen schiffseigner wie irr in die falschen kameras fuer die lieben zuhause  winken. alles in allem aber ein grosser spass. ob wir die richtige erwischt haben?
 
oeffnet sich die letzte schleuse und man faehrt die ersten meter im pazifik, ist das ein wirklich erhebendes gefuehl. danach gibt es kein zurueck mehr, 11 500 seemeilen bis australien und nur ein paar winzige inseln dazwischen. wir begiessen diesen moment mit sekt. die korken knallen, aus den lautsprechern bruellt eric claptons layla und wir umarmen uns an deck! der pilot ruft lachend zur ordnung, denn gerade hier gibt es noch einige verwirbelungen im wasser, aber wir schaffen auch das und wenige minuten spaeter verabschieden wir ihn, denn er wird von einem heranbrausendem lotsenboot abgeholt.
 
am ankerplatz werden wir von in dinghis heranbrausenden freunden im pazifik willkommen geheissen. ich kann einfach nicht widerstehen und springe noch mit hose und t-shirt ins wasser. das erste bad im pazifik! anna springt mir sofort uebermuetig nach. sie ist noch schneller als ich wieder an bord, denn das wasser ist eiskalt. vorbei ist die plantscherei im 28 grad warmen wasser. der kalte humboldtstrom bringt die kuestengewaesser  um diese jahreszeit auf gebirgsseetemperaturen. dafuer sind die naechte herrlich kalt und beim arbeiten im motorraum braucht man fast einen sweater. (solange der motor nicht laeuft!)
 
das wird noch eine lange nacht, die wir ausgelassen mit freunden und unseren linehandlern (patrick und theresa aus florida und dietmar ein oesterreicher mit schwedischem pass) verbringen. die idemo schwimmt zufrieden im pazifik, wer haette das gedacht?
 
danach machen wir uns auf die socken um die letzten dinge zu erledigen. schnell wollen wir weiter. alles dauert aber viel laenger als geplant. bei einer routineuntersuchung entdeckt der hautarzt bei ingrid ein verdaechtiges muttermal. es muss entfernt und histologisch untersucht werden (alles in ordnung!). beim zahnarzt wird festgestellt, dass die wurzelbehandlung einer meiner zaehne in curacao schlampig gemacht wurde und eine aufwendige nachbehandlung notwendig ist. die lichtmaschine funktioniert noch immer nicht richtig. wir brauchen unzaehlige ersatzteile fuer anfallende reperaturen. einiges koennen wir in mehrtaegigen besorgungstouren in panama-city besorgen, aber vieles muessen wir in miami, st. marteen und europa bestellen. meine eltern werden sogar als spediteure taetig und bestellen ein wichtiges teil fuer unseren elektrischen autopiloten in norwegen, das dann ueber oesterreich zu uns geschickt wird. unter vielen anderen dingen kaufen wir eine handbetriebene singer-naehmaschine, so eine, wie sie die kunaindianer verwenden. in wien werden die am flohmarkt wohl als liebhaberstuecke angeboten. das gute stueck braucht aber keinen strom (sehr wichtig) und kann vier lagen unseres grossegels zusammennaehen (wir sind total stolz auf unsere segelmacherische leistung und besorgen gleich das material fuer eine neue sprayhood). das alles kostet zeit und viel geld, wir scheinen in panama-city zu kleben.
 
aber endlich, am 13. april gehen wir anker auf und segeln in die 40 meilen entfernten las perlas. idemo schaukelt wieder unter palmen vor dem breiten sandstrand der insel contadora. dort treffen wir unseren freund vom funk, contadora guenther. seit unserer fahrt von grancanaria auf die kap verden checken wir regelmaessig bei seinem pacific-island net ein. sind wir auf langen passagen, ist er taeglich zur selben zeit bei uns auf der funke zu hoeren und jetzt sehen wir das gesicht zur stimme. irgendwie ein komisches gefuehl. wir werden nicht enttaeuscht und gastfreundlich aufgenommen. aber lange wollen wir uns nicht aufhalten, denn vor uns liegt ja noch der ganze pazifik.
 
unser erstes ziel sind die galapagos inseln, wo die seehunde im dinghi gerne ihr mittagsschlaefchen halten. so wurde uns von etlichen freunden berichtet, die schon dort sind. anna freut sich schon darauf und wir auch.
 
einstweilen alles liebe von uns dreien,
 
robert, anna und ingrid
 
an bord idemo

dzt. isla contadora (wieder unter palmen), panama 

april 2002
 
 
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